Die Konstruktion der Schiffe

Die Dimension «Raum» wirft Fragen auf: Wie kann sich ein Kind ohne grundlegende geometrische Fähigkeiten beim Bauen eines dreidimensionalen Körpers zu Recht finden? Welche Merkmale eines Schiffs stellen die Kinder dar und wie konstruieren sie? Einige Schiffskörper sind tatsächlich räumliche Konstruktionen; wenige Kinder bauen flächig, andere stossen im Produktionsprozess in die dritte Dimension vor. Die Analyse der Konstruktionen bringt überraschende Vorgehensweisen an den Tag.

Von der Stunde der Geburt an vollzieht sich das Leben des Menschen in einer Raumwelt. Der Raum ist mit allen Aktionen und Reaktionen unmittelbar verknüpft, er ist das tragende Fundament der Welterfahrung.»
Fritz Stückrath

Einleitung: Das räumliche Vorstellungsvermögen

Ein Schiff zu bauen, setzt die Fähigkeit voraus, räumlich zu sehen und zu denken. Das räumliche Vorstellungsvermögen entwickelt sich auf der Basis der sinnlichen Wahrnehmung. Räumliche Vorstellungen beruhen einerseits auf Erinnerungsbildern, sie entstehen bei der Beschäftigung mit räumlichem Material – beispielsweise beim Abtasten von Körpermodellen oder beim Konstruieren. Andererseits werden räumliche Vorstellungen von der Einbildungskraft hervorgebracht: Sie sind deren Produkte sowohl im reproduzierenden als auch im entwickelnden Sinn (vgl. Maier 1999, 15). Ohne den realen Gegenstand oder ein Abbild davon zur Verfügung zu haben, muss sich das Kind beim Bauen eines Schiffs die Dimensionen Länge, Breite und Höhe vor Augen führen und sich gemäss seinen Vorstellungen im gedachten Raum bewegen können. Die konkrete Umsetzung dieser Bilder und Vorstellungen, sei es als ein grafisches Zeichen oder als räumliches Objekt, erfolgt in einer komplexen Wechselwirkung zwischen Handeln und Denken. Die Handlung am Objekt ermöglicht, dass innere Bilder überprüft und vervollständigt werden. Die Vorstellungen sind zugleich eine Voraussetzung dafür, dass räumliche Gebilde realisiert werden können.

Die zentrale These Piagets, dass Denken durch Verinnerlichung von gegenständlichen Handlungen entsteht, gilt auch für die Entwicklung des räumlichen Vorstellungsvermögens: erst durch handelndes Tun wird die Raumvorstellung aufgebaut und gefestigt. Dieser Prozess wird nicht in einer bestimmten Altersstufe abgeschlossen, sondern entwickelt sich über Jahre hinweg und kann gefördert werden. Dies belegt eine Studie bei Vorschulkindern: «Kinder, die wiederholt dreidimensional arbeiten, machen grössere Lernfortschritte und erreiche». (Gaus-Hegner 2004, 88). Zu Beginn des Vorschulalters verfügen Kinder im Allgemeinen über geringe geometrische Fähigkeiten. Der Übergang zur projektiven (Erfassung der Perspektive, Flächenabwicklungen u.a.) und euklidischen Raumvorstellung (qualitative Operationen, einfache Metrik, Flächen- und Volumenberechnung) beginnt in der Regel mit dem Schuleintritt (vgl. Maier 1999, 88-91).

Wann ist ein Schiff ein Schiff? Dreidimensionales funktionales Gestalten mit vier- bis achtjährigen Kindern.

Ein Projekt der Pädagogischen Hochschule Bern, des Schweizerischen Werkbundes SWB und des Schulverlags.

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