Als Erstes werden die komplexen physikalischen Kräfte beschrieben, die auf ein schwimmendes Schiff einwirken, und der Unterschied zwischen realem Bauen und dem Modellbau wird aufgezeigt. Dann folgen die Ergebnisse der ersten Wässerung der Schiffe; sie liegen in quantifizierender Form vor und sind grafisch dargestellt.
Ein schwimmendes Schiff ist ein frei beweglicher Körper, der sich in sechs verschiedenen Richtungen bewegen kann: vorwärts/rückwärts, seitwärts driften, tauchen, krängen/rollen, trimmen/stampfen und drehen/gieren.
Der Begriff Stabilität, bezogen auf ein Schiff, meint die Fähigkeit des selbstständigen Aufrichtens, wenn das Schiff durch Wind, Ladung, Seegang oder andere äussere Einflüsse in eine Schieflage geraten ist. Die Schieflage wird auch Krängung oder Schlagseite genannt. Die Rückkehr in die aufrechte Ausgangslage wird im realen Schiffsbau auf zwei Arten unterstützt: durch eine günstige Rumpfform des Schiffs (Formstabilität) oder durch Anbringen von Gewicht in Form eines Kiels unten am Schiffsboden (Gewichtsstabilität).
Bei Modellbauten wirken die gleichen physikalischen Gesetzmässigkeiten wie bei realen Bauten. Der Bau eines Modells läuft allerdings nicht gleich ab, sondern es treten spezifisch eigene Probleme auf. So wird beispielsweise der Gewichtsschwerpunkt nicht mathematisch berechnet, das Stabilisieren mittels Kiel ist aus handwerklichen Gründen nicht möglich und es muss nach einfacheren Stabilisierungsmassnahmen Ausschau gehalten werden.
Die Anlage des Forschungsprojektes sieht beim Schiffsbau eine Aufgabe im Bereich Schiffsarchitektur vor. Da wir die Kinder auffordern, ein Wohnschiff zu bauen, entstehen eher flossartige Bauten. Bezogen auf die physikalischen Kräfte, heisst das, dass bei den selbst gebauten Schiffen Instabilitäten bezüglich der z-Achse (tauchen) und Drehen um die Quer- und Längsachse (trimmen und krängen) auftreten können. Weiter ist zu beachten, dass während der ersten Bauphase die Schiffe zum Testen nicht ins Wasser gelegt werden durften, da das Weiterbauen im nassen Zustand (Klebstoff) unmöglich gewesen wäre. Ebenso waren von Anfang an Schiffsbauten, die auf dem Prinzip Hohlkörper beruhen, nicht vorgesehen.
Nach der ersten Bauphase werden die Schiffe das erste Mal ins Wasser gelegt. Ein grosses Wasserbecken steht bereit. Etwa sechs bis acht Kinder verfolgen jeweils das Einwässern der Schiffe am Rand des Beckens. Mit diesen Tests überprüfen wir die Schwimmtüchtigkeit der Schiffe.
Bei der quantitativen Auswertung ist das Kriterium stabiles Schwimmverhalten ausschlaggebend. Zusammen mit den Kindern bilden wir die nachfolgend aufgeführten Kategorien. Stufe 5 bedeutet: Das Schiff verhält sich auf dem Wasser ruhig, sinkt nicht, weist keine Schräglage auf und das Deck respektive die Bodenplatte liegt oberhalb der Wasserlinie. Im Gegensatz dazu wird ein Schiff, das kentert oder seitlich kippt, auf der niedrigsten Stufe, 1, eingeteilt.
Schiff/Floss schematisch vom Bug her gesehen
Nicht ganz die Hälfte der 48 gebauten Schiffe erreicht nach der ersten Bauphase eine gute Schwimmstabilität. Etwa ein Fünftel der Schiffe tauchen ganz oder teilweise ins Wasser ein, behalten dabei jedoch ihre Stabilität und das Deck bleibt waagrecht. Knapp ein Zehntel der Schiffe haben Schlagseite. Ein Viertel der Schiffe kippt vollständig auf die Seite.
Wann ist ein Schiff ein Schiff? Dreidimensionales funktionales Gestalten mit vier- bis achtjährigen Kindern.
Ein Projekt der Pädagogischen Hochschule Bern, des Schweizerischen Werkbundes SWB und des Schulverlags.
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