Problemfelder

In diesem Teil werden die drei am häufigsten auftretenden Problemfelder beim Bauen der Schiffe erörtert. Wir dokumentieren die Lösungen und Lösungsansätze. Ausgangspunkt dafür sind die Experimente und die Gespräche mit den Kindern an der Wasserwanne. Die Ergebnisse werden nach Jahrgangsklassen gegliedert. Einzelne interessante Situationen beschreiben wir genauer und ergänzen sie zur Veranschaulichung mit Zitaten aus den Unterrichtsgesprächen.

Lernsetting an der Wasserwanne

Gemeinsam mit den Kindern versuchen wir, kenternde und schräg schwimmende Schiffe zu stabilisieren und ihr Schwimmverhalten zu verbessern. Einerseits geht es darum, die Fehlerquelle zu eruieren, andererseits gilt es herauszufinden, wie diese Fehler behoben werden können. Dabei drücken die Kinder ihre Vorstellungen über das Schwimmen aus. Die zentralen Fragen lauten: Wie können wir das Schiff so stabilisieren, dass es ein gutes Gleichgewicht aufweist? Was müssen wir am Schiff umbauen, damit eine gute Quer- und Längsstabilität gewährleistet ist? Wie kann verhindert werden, dass das Schiff kentert? Wie vermeiden wir, dass Wasser auf das Deck schwappt?

Zu beachten ist, dass die zeitlichen Vorgaben rationelle Problemlösungsstrategien erfordern. Anspruchsvollere Lösungen, beispielsweise das Anbringen eines Kiels oder eines katamaranähnlichen Auslegers, hätten einen dritten Arbeitsgang erfordert.

Für uns ist wichtig, dass die Kinder möglichst viel zu diesen Lösungen beitragen und die Erwachsenen nur eingreifen, wenn die Gespräche und die Lösungsprozesse ins Stocken geraten. Von Anfang an liegen als beabsichtigte Gestaltung der Lernumgebung verschieden dicke Holz- und Hartschaumstoffstücke in der Nähe der Wasserwanne bereit. Sie können spontan eingesetzt werden, um handelnd am Schiff vorgeschlagene Lösungen auszuprobieren. Das ausgewählte Lernsetting entspricht einem moderaten konstruktivistischen Lehr- und Lernverständnis.

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Schieflage oder Kenterung

Die Vorstellung, weshalb ein Schiff in Schieflage ist oder kentert, wird von den Kindern sehr oft mit dem Begriff Gewicht in Zusammenhang gebracht. Aussagen wie «der Mast ist zu schwer, zieht hinunter»; «Gewicht auflegen»; «weil das Schiff zu wenig schwer ist» oder «hier ein wenig Gewicht drauftun» illustrieren die Gedankengänge der Kinder. Ergänzend dazu zeigten die Kinder auf die Teilfläche des Schiffs, die beschwert werden müsste, oder noch konkreter, sie drückten mit der Hand den asymmetrisch aus dem Wasser herausragenden Teil des Schiffs hinunter. Die Überzeugung, dass ein Gegengewicht nötig ist, um das Schiff ins Gleichgewicht zu bringen, wird von einigen Kindern durch die konkrete Handlung realisiert.

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Schieflage Vergrösserung betrachten durch Klick auf das Bild

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Lösungsansatz 1

Das Hinzufügen von Masse auf die Teilfläche des Decks, die der eingesunkenen Fläche gegenüberliegt, ist physikalisch richtig. Die Kinder übertragen dieses Prinzip ausschliesslich auf schief schwimmende Schiffe, jedoch nicht auf vollständig kenternde Schiffskörper.

Die Kinder finden die richtige Gewichtsmenge durch Ausprobieren heraus. Sie legen verschieden geformte und verschieden grosse Stücke Holz auf unterschiedliche Stellen der Grundkonstruktion des Schiffs und beobachten die Wirkungen. Beispielsweise hält ein Kind mit der linken Hand locker das Schiff in der gewünschten Position, mit der rechten Hand legt es sorgfältig Stäbe auf und veränderte ihre Lage so lange, bis das Schiff stabil im Wasser liegt.

Auch Louis erklärte sich die Schieflage seines Schiffs mit dem fehlenden beziehungsweise dem zu grossen Gewicht eines Bauelements. Er zeigt deutlich auf die gegenüberliegende Seite, wohin das zu schwere Element versetzt werden müsste.

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Schlussfolgerungen

Als Problemlösung für einen krängenden Schiffskörper (Schräglage) schlagen viele Kinder der zwei älteren Jahrgangsklassen vor, zusätzliches Gewicht aufzuladen.

Sie können diese Vorstellung überprüfen, indem sie beobachten, was es bewirkt, wenn sie den Schiffskörper mit der Hand hinunterdrücken. Hier fliessen auch Alltagserfahrungen ein, wie beispielsweise das Schaukeln auf einer Kinderwippe oder das Verhalten eines Flosses im Wasser, das mit spielenden Kindern beladen ist.

Wenn es technisch möglich gewesen wäre, würden wahrscheinlich die meisten Kinder das Stabilisieren mittels Gewichtzugabe wählen. Diese Annahme können wir mit dem Verhalten der Kinder während der Tests begründen: Sie sind sehr konzentriert und ausdauernd. Bei den jüngeren Kindern kommt der Lösungsansatz Ausgleichsgewicht nur vereinzelt vor, bei der jüngsten Jahrgangsklasse gar nicht.

Das Anbringen von Gewicht auf dem Deck verstärkt das Einsinken des Schiffs und verunmöglicht den Ausbau des Decks. Deshalb kann der Lösungsansatz Ausgleichsgewicht nicht weiterverfolgt werden.

  • Kinder lösen das Problem von Schiffen in Schräglage spontan durch Auflegen von Ausgleichsgewicht in Form von Holzklötzen.
  • Tendenziell kommt dieses Problemlöseverhalten bei jüngeren Kindern weniger oft vor.
  • Gewicht scheint eine wichtige und begreifbare Grösse in der Wahrnehmung von Kindern zu sein.
  • Das Suchen nach der richtigen Gewichtsmenge erfolgt experimentell-handelnd am Objekt.
  • Für kenternde Schiffe wird die Lösung Ausgleichsgewicht nicht gefunden.

Lösungsansatz 2

Wir ermuntern die Kinder, weitere Lösungen zu suchen. Unter den gegebenen Umständen (Zeitdruck, kleines Wasserbecken) bietet sich folgende Alternative an: Fläche aus Holz oder Hartschaumstoff unter den schräg im Wasser liegenden Teil des Schiffs legen. Ein grundlegendes Umdenken ist nun nötig: Nicht mehr diejenige Stelle, wo vorher Material aufgelegt wurde, ist nun der richtige Ort, sondern der gegenüberliegende. Wurde vorher Material aufgelegt, wird es nun unterlegt. Nicht die Bodenfläche, sondern der verborgene untere Teil des Schiffs wird verändert. Für das zu unterlegende Material ist nun nicht allein das Gewicht ausschlaggebend, sondern seine Dichte (Verhältnis von Volumen zu Gewicht). Die richtige Stelle, an der unterlegt werden muss, kann nicht auf Anhieb gefunden werden, sondern muss durch sachtes Verschieben des Auftriebsmaterials und gleichzeitiges aufmerksames Beobachten (visuell, taktil und kinästhetisch) des Schiffskörpers im Wasser erfolgen.

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Lösungsansatz 2 ist absolut gegensätzlich zu Lösungsansatz 1. Die meisten Kinder können einen Konzeptwechsel von Gewicht auflegen zu Material unterlegen nicht vollziehen. Deshalb werden verschiedene Massnahmen seitens der Lehrkraft eingeleitet: Bereitlegen von grossen und kleinen, dicken und dünnen Flächen aus Hartschaumstoff und Holz neben der Wasserwanne, Demonstrieren des Unterlegens an einem teilkenternden Schiffskörper.

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Schlussfolgerungen

Lösungsansatz 2 ist in der realen Welt des Schiffsbaus kaum Alternative zur Problembehebung von Instabilität. Das Unterlegen von Objekten, um ein Gleichgewicht zu erzielen, findet man im Alltag eher bei Schränken und wackligen Tischen. Deshalb kommen nur ganz wenige Kinder selber auf die Idee, Hartschaumstoffstücke oder Holzflächen an bestimmten Stellen unterhalb des Rumpfes zu unterlegen, um das Schiff ins Gleichgewicht zu bringen oder zu heben.

Sobald die Lehrkraft den Lösungsansatz andeutet oder vorzeigt, übernehmen einige Kinder die Idee und experimentieren selbstständig und zielorientiert. Sie testen verschieden dicke Sperrholz- und Hartschaumstoffplatten und suchen behutsam die geeignete Position, an der unterlegt werden muss.

Interessant ist die Beobachtung, dass einige Kinder die grosse, weisse, vorstehende Korrekturfläche aus Hartschaumstoff zur Stabilisierung des Schiffs nicht mit ihren Vorstellungen in Übereinstimmung bringen können. Ein Mädchen befestigt zwar eine Platte an die Bodenfläche des Schiffs, schneidet sie aber danach wieder so weit zurück, dass sie sich der ursprünglichen Bodenplatte angleicht. Dieses Verhalten wird noch bei anderen Kindern beobachtet (Nicolas).

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Korrekturplatte Vergrösserung betrachten durch Klick auf das Bild

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  • Kinder besitzen vielfältige Vorstellungen über das Schwimmen von Körpern.
  • Die meisten Kinder kommen nicht selber auf die Idee, als Stabilisierungs-massnahme Auftriebshilfen am Schiffsboden zu befestigen.
  • Nach der ersten Initialzündung seitens der Lehrkraft wenden die Kinder diese Lösungsstrategie jedoch zielorientiert und korrekt an.
  • Ältere Kinder erahnen tendenziell den Zusammenhang zwischen Auftriebsmaterial und Schwimmstabilität eher als jüngere Kinder.

Problemfeld Einsinktiefe

Das Problem Einsinktiefe tritt bei Schiffsbauten auf, deren Rumpf nur aus einer dünnen Holzplatte besteht oder die einen asymmetrischen Aufbau des Decks aufweisen. Dadurch dringt Wasser, meistens nur an einer bestimmten Stelle, auf das Deck ein. Beispiele: Das Schiff von Matthias ist zwar stabil gebaut, aber die Bodenfläche aus dünnem Sperrholz liegt nur knapp oberhalb der Wasseroberfläche. Bei der kleinsten Bewegung des Schiffs schwappt deshalb Wasser auf die Bodenfläche. Auch Schiffe mit Konstruktionen, bei denen grosse, nach unten ragende Seitenwände befestigt sind, haben die Tendenz, tief ins Wasser zu sinken.

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Lösungsansatz 1

Sämtliche Probleme des Sinkens wurden mittels Unterlegen der Schiffskörper mit Material gelöst. Es stellen sich für die Kinder folgende Fragen: Welches Material ist besser geeignet – Hartschaumstoff oder Holz? Wie muss das zu unterlegende Material geformt sein – als Klotz, als Streifen, als Fläche? Wie gross muss es sein? Wie dick muss das Stück oder die Fläche sein? Wo genau muss das Material unterlegt werden?

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Lösungsansatz 2

Die Kinder lösen das Problem einer zu grossen Einsinktiefe mit dem Bau einer Mauer. Damit meinen sie das Anbringen von Holzstücken an der lecken Stelle. Ana äussert sich wie folgt: «Weil da kein Holz ist, muss man es (das Loch) mit Holzbalken verschliessen.» Werner meint: «Es sinkt ein wenig, dort hat es eine Öffnung, dort kommt Wasser rein.» Der Begriff Mauer wird von allen Kindern gebraucht, unabhängig von Alter und Geschlecht. In der Realität ist eine Mauer stabil, dicht, stark und gewährt Schutz. Auch wenn die Mauer aus technischen Gründen nicht dicht gebaut werden kann, wählen die Kinder diese Lösung.

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Lösungsansatz 3

Nur zwei Kinder erkennen, dass das Gleichgewicht eines Schiffs unter anderem durch eine symmetrische Bauweise gewährleistet werden kann. Die Aussage von Sam «Die Stangen sind nicht ganz in der Mitte» (gemeint sind etwa 20 cm hohe Masten aus Holz) und das bewusste Zeigen auf eine bestimmte Stelle auf dem Schiff deuten auf diese Annahme hin. Auch Mirko meint: «Ich habe es schön ausgeglichen.» Andere Kinder haben teilweise ihre Schiffe auch symmetrisch gebaut, haben sich jedoch verbal nicht zu diesem Sachverhalt geäussert.

  • Das Problem der geringen Einsinktiefe von Schiffen kann von den Kindern selber gelöst werden.

Problemfeld Dichte

Die vorangehenden beschriebenen Problemfelder beruhen unter anderem auch auf der Dichte des Bauwerkstoffs. Die folgenden Beobachtungsprotokolle schildern den Umgang der Kinder mit diesem Phänomen.

Matthias hantiert mit unterschiedlich dicken und grossen Hartschaumstoffflächen, um sein Schiff zu unterlegen. Durch die Bewegung des Wassers löst sich plötzlich ein Stück davon und taucht blitzschnell zur Wasseroberfläche auf. Erfreut schaut Matthias zu und drückt die Hartschaumstofffläche nochmals unter die Wasseroberfläche. Dabei ist zu beobachten, wie Matthias den Auftrieb der Platte und den Druck seiner Hand (er-)spürt und versucht, Zusammenhänge zu erfahren. Diese überprüft er nochmals zu einem späteren Zeitpunkt und benennt die Zusammenhänge dann auch: «Wenn hinten beim Heck eine dickes Styroporstück unterlegt wird, senkt sich vorne der Bug leicht nach unten.»

Jonas beschreibt die Eigenschaft des Hartschaumstoffs, welche er aus der ersten Auswertung der ersten Bauphase kennt, als stark. Zur Verdeutlichung seiner Vorstellungen drückt David mit der Hand sein Schiff ins Wasser und demonstriert, wie viel Kraft er dabei braucht. Nicolas stellt fest, dass zwei der Schiffsform angepasste unterlegte Hartschaumstoffplatten sein Schiff besser tragen können als nur eine. Er sagt auf die Frage, weshalb sein Schiff jetzt schwimme: «Weil Sagex schwimmt und es zwei hat.»

Bei Sven erfolgt eine Änderung seiner Vorstellung sehr schnell: Er formt einen Anker aus Styropor und packt ihn in Stoff ein. Als er ihn ins Wasser legt, sieht er sofort, dass der Anker nicht sinkt. Zuerst reagiert er erstaunt, nach einigen Sekunden des Überlegens meint er, er werde etwas Schwereres nehmen, nämlich einen Stein.

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Schlussfolgerungen

Tendenziell ist festzustellen, dass ältere Kinder stärker auf die unterschiedlichen Auftriebskräfte von Hartschaumstoff und Holz reagieren. Jüngere Kinder bevorzugen eher die Farbe des Materials als seine Eigenschaft. Sie ziehen es vor, mit den schwimmenden Holz- und Hartschaumstoffstücken in der Wasserwanne zu spielen, wenn es darum geht, das Phänomen Schwimmen zu ergründen. Es gibt jedoch auch hier interessierte Kinder (Nicolas und Karin).

  • Der spielerische Umgang mit verschiedenen Werkstoffen ermöglicht den Kindern, die Dichte eines Werkstoffs zu erfahren.
  • Das mehrmalige handelnde Überprüfen einer Wahrnehmung oder einer Vorstellung hilft den Kindern, Erkenntnisse zu sichern.
  • Einige Kinder sind fähig, Zusammenhänge von Werkstoffeigenschaften und Auftriebskraft herzustellen.
  • Für das Phänomen des Schwimmens interessieren sich vor allem ältere Kinder.
  • Kinder umschreiben physikalische Phänomene mit bildlichen Begriffen und verwenden Analogien aus ihrem Alltag.

Wann ist ein Schiff ein Schiff? Dreidimensionales funktionales Gestalten mit vier- bis achtjährigen Kindern.

Ein Projekt der Pädagogischen Hochschule Bern, des Schweizerischen Werkbundes SWB und des Schulverlags.

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