Die Kinder richten ihr Interesse nicht allein auf die physikalischen Aspekte des Schwimmens. Im Folgenden zeigen wir auf, wie sie beim Schiffsbau assoziativ vorgehen und sich dabei von ihrer Einbildungskraft leiten lassen.
Anlässlich der Wässerung eines Übungsobjekts liegt ein Holzstück, angeklebt an einem länglichen flachen Stück Hartschaumstoff, im Wasser. Die Kinder der ersten Klasse sollen herausfinden, weshalb Hartschaumstoff weniger tief ins Wasser einsinkt als Holz. Aber die Erstklässlerinnen und Erstklässler sind stärker von den Formen des Hartschaumstoffstücks fasziniert als von der physikalisch ausgerichteten Frage geleitet. Sie sagen: «Das sieht aus wie der Stiefel von Italien.»; «Ich war auch dort in den Ferien.»; «Da ist der Sandstrand.»; «Das Styroporstück sieht aus wie ein Eisbär.» usw. Es entsteht eine lange Kette von Assoziationen.
Karin bezeichnet die Hartschaumstoffplatte, die sie dem Schiff unterlegt, als Luftmatratze. Dies verdeutlicht sehr treffend, wie Kinder einer funktionalen Fläche eine persönliche Bedeutung verleihen und Verbindungen zu subjektiven Erfahrungen knüpfen. Als Laura ihr Schiff auf dem Wasser schwimmen sieht, meint sie, es sei «eine Insel voller Fahnen.»
Ein anderes Kind hat die gleiche Assoziation, aber erst eine Woche später. Sophia sagt, die Unterlage (Korrekturplatte aus Hartschaumstoff) stelle Land dar und sei eine Insel. Das Schiff (ihre erste Konstruktion, die gekentert und nun mit einer ganz kleinen Fläche unterlegt ist) sei jetzt auf der Insel beheimatet.
Bei Jens entsteht der Eindruck, dass sein Schiff eigentlich einen Eisberg darstellt. Die vielen an der Grundform montierten Drähte haben, laut seiner Aussage, die Funktion, ein imaginäres U-Boot zu steuern. Manchmal nennt er sein Schiff «Schiff», manchmal «Eisberg» und manchmal auch «U-Boot». Jens beschreibt also fast gleichzeitig drei Bedeutungen des selbst gebauten Objekts und wechselt unvermittelt von der einen zur anderen.
Als Mael entdeckt, dass Wasser auf das Deck ihres Schiffs vordringt, zeigt sie sich nicht beunruhigt und will diesen Fehler nicht korrigieren. Sie begründet es damit, dass dies ideal sei, denn so könne man direkt vom Schiff ins Wasser spazieren.
Das Loch im Sperrholz seines kenternden Schiffs veranlasst Huruma zu folgender Vermutung: «Das Schiff kippt, weil hier ein Loch ist.» Anschliessend werden verschiedene Massnahmen ergriffen, um das Schiff in der Vertikalen zu stabilisieren. Nach der zweiten Bauphase kentert das Schiff nochmals. Huruma begründet die Schwimmuntüchtigkeit des Schiffs wieder mit dem Loch.
Die jüngeren Kinder lassen sich eindeutig stärker von den vorgefundenen Formen und dreidimensionalen Gebilden zum Fantasieren anregen als die älteren. Wahrscheinlich führen unter anderem diffuse Formen der Schiffe und der Einzelelemente zu diesen Assoziationsketten. Bei älteren Kindern ist zwar die Gesamtform des Schiffs manchmal auch uneindeutig, jedoch sind die Bauelemente gesamthaft realistischer dargestellt.
Tendenziell ist festzustellen, dass jüngere Kinder schneller Assoziationsketten bilden als ältere Kinder und dasselbe Objekt unterschiedlich deuten und bezeichnen. Sie deuten Fehler nicht negativ, sondern nutzen sie als Chance, um daraus positive Ausgangslagen zu schaffen.
Wann ist ein Schiff ein Schiff? Dreidimensionales funktionales Gestalten mit vier- bis achtjährigen Kindern.
Ein Projekt der Pädagogischen Hochschule Bern, des Schweizerischen Werkbundes SWB und des Schulverlags.
(c) 2010–2018 iwan raschle | raschle & partner / Schweizerischer Werkbund SWB | XHTML 1.1