Das Bauen eines Schiffs ist eine komplexe Angelegenheit. Vieles gilt es zu beachten. Nur wenn die entsprechenden physikalischen Gesetze berücksichtigt werden, wird das Schiff ein so gutes Schwimmverhalten aufweisen, dass es als Spielgegenstand fürs Wasser gebraucht werden kann. Während des Bauens testen wir die Schiffe zweimal in einer Wasserwanne. Dabei führen wir Gespräche über die Ursachen von schwimmuntüchtigen Schiffen und suchen gemeinsam nach Lösungen. Das Experimentieren und Hantieren, das Fragen und Antworten, die Aktionen und Reaktionen der Kinder geben Einblick in ihre Vorstellungen über das Schwimmen von Gegenständen.
«Weshalb schwimmt denn Sagex?» «Es ist so … es ist so weich, … es kann viel, es kann … Sagex ist stark, deshalb …, dann kann es auch Schiffe ‹aufheben› [tragen].»
Jonas
Der Bezug zu den Naturwissenschaften, insbesondere zu den physikalischen Aspekten des Schwimmens und Sinkens, liegt auf der Hand. Neuere Forschungen aus dem Sachunterricht zeigen, wie aktuell diese Thematik ist. Es wird diskutiert, welche unterrichtlichen Zugänge nötig sind und wann dieses Thema, bezogen auf das Alter, frühestens aufgegriffen werden kann.
Konfrontieren wir Kinder der Vorschulstufe und der ersten zwei Primarstufen mit dem Phänomen Schwimmen, so geht es nicht primär darum, das archimedische Prinzip zu begreifen, sondern vielmehr darum, die Neugier am Phänomen selbst zu wecken.
In diesem Sinne steht nicht ein wissenschaftliches Lernen im Vordergrund, sondern ein Lernen im Vorfeld des naturwissenschaftlichen Denkens. Schon sehr junge Kinder verhalten sich im Hantieren mit Dingen so, als würden sie die zugrunde liegenden physikalischen Gesetze kennen. Sie testen beispielsweise, ob ein Gegenstand schwimmt oder sinkt und ziehen teilweise richtige Schlussfolgerungen. Da Kinder diese Gesetze jedoch nicht beschreiben können, wird dieses besondere Wissen auch intuitive oder naive Physik genannt (vgl. Janke 1995, 123).
Das Thema Schwimmen und Sinken hat in der Forschung Tradition. Schon Piaget prüfte, ob Kinder fähig sind, dieses Phänomen zu verstehen. Er hat festgestellt, dass Kinder die nötigen Voraussetzungen, um Zusammenhänge zwischen Gewicht und Volumen sowie das Dichtekonzept zu verstehen und Hypothesen zu bilden, erst mit Eintritt in das formal-operatorische Stadium mitbringen. Diese Phase beginnt mit zirka acht Jahren. Neuere Forschungen hinterfragen diese Aussagen Piagets, insbesondere die nicht kindergerechte Versuchsanordnung und die Fokussierung auf explizites verbalisiertes Wissen.
Heute geht man davon aus, dass das Denken von Vorschulkindern in einigen Bereichen dem Denken von Erwachsenen näher ist, als Piaget angenommen hat. Kinder sind schon zu beachtlichen Verständnisleistungen fähig und können, bezogen auf das Schwimmen und das Sinken, Vor-Konzepte erstellen. Im Weiteren gilt es, die eigensprachlichen Formulierungen der Kinder ernst zu nehmen, auch wenn sie fachlich nicht richtig sind. In neueren Forschungen werden naiv physikalische Konzepte untersucht, also solche, die mit den physikalischen Konzepten von Gewicht, Volumen und Dichte verwandt sind. Die Untersuchungen finden in Lernumgebungen statt, denen ein moderat konstruktivistisches Lernverständnis zugrunde liegt, das heisst aktiv-entdeckend, dialogisch-kooperativ. Dabei wird festgestellt, dass schon Kinder im Alter von drei Jahren die Grösse eines Gegenstands von dessen Gewicht unterscheiden können. Grössere Schwierigkeiten bereitete den Kindern das Verständnis der Dichte.
Janke fasst gesamthaft die Ergebnisse der neueren Forschung zu Schwimmen und Sinken zusammen: Erst ab ca. dem neunten Lebensjahr wird «die Dichte als von Gewicht und Volumen unabhängige Eigenschaft von Materie» verstanden (Janke 1995: 126, zit. nach Smith et al., 1986). Das Verstehen des physikalischen Begriffs Dichte im Zusammenhang mit dem Phänomen Schwimmen/Sinken ist für Kinder der Vorschulstufe und der ersten Primarstufe sehr schwierig, da es das Verständnis von Proportionen voraussetzt. Grundschulkinder tendieren dazu, nur eine der zwei Grössen, nämlich Volumen oder Masse, einzubeziehen. Einfacher ist der Zugang zu Druck und Auftriebskraft. Sie sind eher plausibel und nachvollziehbar (vgl. Jonen, Möller, Engelen 2002, 66).
Wann ist ein Schiff ein Schiff? Dreidimensionales funktionales Gestalten mit vier- bis achtjährigen Kindern.
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