Die Bauelemente des Decks sind in ganz unterschiedlicher Art dargestellt. Die meisten lassen ihre Bedeutung nicht erkennen. Aufgrund von Kurzinterviews kommen wir den Vorstellungen der Kinder näher. Die verbalen Beschreibungen ergeben eine Kategorisierung, welche das breite Spektrum kindlicher Ausdrucksformen berücksichtigt.
Beim Betrachten der Ausbauten auf dem Deck ist deutlich spürbar, dass die Bauelemente eine Fülle von Informationen enthalten. Die dreidimensionalen Körper senden aber zu wenig klare Signale aus, um entschlüsselt werden zu können. Erst die Gespräche mit den Kindern lüften teilweise die Geheimnisse. Wir insistieren nicht, wenn die Kinder unvollständige Angaben machen. Es kommt auch vor, dass sie den Bauteilen zu verschiedenen Zeitpunkten unterschiedliche Namen geben. Dieses Verhalten entspricht einer prozess- und sprunghaften Sinngebung, wie sie bei Kindern dieser Altersstufe auftreten kann.
Die Qualität der Beschreibungen ist sprachlich sehr unterschiedlich ausgefallen. Auffallend oft werden Objekte mit der dazugehörenden Tätigkeit umschrieben, beispielsweise tritt an die Stelle von «Bett» die Formulierung «zum Schlafen».
Einige Kinder mit einem fremdsprachigen Hintergrund sind bezüglich des verbalen Ausdrucks benachteiligt, da ihnen die passenden Begriffe nicht geläufig sind. Auch wenn sich alle Kinder bestens ausdrücken könnten: «Ausgespart bleibt hier indes vieles, was die Kinder nicht oder nicht im Augenblick der Befragung ausdrücken können oder wollen – die Tiefenresonanz ästhetischen Erlebens» (Mattenklott 2004, 113). Tendenziell äussern sich die jungen Kindergartenkinder weniger ausführlich zu ihren gebauten Dingen, gehen weniger auf die Fragen ein oder nutzen das Interview eher zur Schilderung anderer Ereignisse.
Der auffallende Unterschied zwischen den visuell erkennbaren Dingen und den nicht erkennbaren führt zu einer ersten Zweiteilung. Der grösste Anteil aller Bauelemente wird der Gruppe mit einem niederen Erkennungsgrad zugeordnet. Kerner und Duroy beschreiben das Verhältnis von Zeichen und Bezeichnetem (Sigmatik) je nach Bezugsart als Ikon, als Index oder als Symbol. Das ikonische Zeichen bildet sein Objekt ab und hat mit ihm mehrere Merkmale gemeinsam. «Der Grad der Übereinstimmung zwischen dem Ikon und dem entsprechenden Vorbild wird als Ikonizitätsgrad […] bezeichnet» (1982, 29). Bauelemente besitzen also einen hohen oder einen niedrigen Ikonizitätsgrad, wobei der Übergang fliessend ist.
Die Bauelemente mit einem niedrigen Erkennungswert werden nochmals in drei Gruppen unterteilt. Als Erstes die Gruppe, in welcher reale Gegenstände naturfern umgesetzt sind, dann diejenige von Bauteilen, welche Träger von Imaginationen oder animistischen Vorstellungen sind.
Weiter wird die Gruppe der real funktionierenden Bauteile geschaffen. Dazu gehören beispielsweise ein Anker, der im Wasser tatsächlich sinkt, ein Fenster, das sich öffnen lässt, oder ein Steuerrad, das sich drehen lässt.
Abschliessend halten wir nochmals die Stichworte zu den verschiedenen Kategorien fest, in welche die Bauelemente des Decks eingeteilt werden: visuell reale, funktional reale, naturferne, imaginative und animistisch geprägte Repräsentationsformen.
Nur drei Kinder der zweiten Klasse haben sich im Bereich des Wohnens visuell real ausgedrückt und anspruchsvolle naturnahe Umsetzungen realisiert. Erkennbar sind sechs Gegenstände: Teller, Tisch, Stuhl, Fenster, Kopfkissen und Vorhang. Im Bereich Technik sind es wesentlich mehr, nämlich gut ein Drittel aller Bauteile. Auffallend ist die häufige Darstellung von Segeln (8×), gefolgt von Plattformen (5×), Steuerrädern (2×) und Rettungsringen (2×).
Ein Kind (Naima, 7 J., 8 M.) hat die Silhouetten von Wasserwellen aus einem flächigen Material ausgeschnitten und am Schiff fixiert. Der flüchtige Zustand von Wellen wird auf diese Art und Weise eindrücklich festgehalten.
In der ersten Klasse bauen drei Kinder Elemente, die visuell erkennbar sind. Dabei stellt Neshaanth mit dem Filzstift die Tür als grafisches Zeichen dar. Etienne gestaltet ein voluminöses Kissen sowie eine Bettdecke; auf einem andern Schiff ist eine Leiter zu sehen. Im technischen Bereich sind Segel (6×) und Steuerrad (1×) dargestellt.
Bei den Kindergartenkindern sind keine visuell real dargestellten Bauelemente zu erkennen.
Entsprechend dem visuellen Realismus kann die Funktionalität eines Bauteils auch dem Kriterium des Realen unterzogen werden. Real funktional bedeutet beispielsweise, dass ein Steuerrad sich drehen oder eine Türe sich öffnen lässt. Der Wunsch, wirklichkeitsnah zu bauen und Funktionen von realen Gegenständen nachzuerfinden, kann bei Kindern beobachtet werden. Bodo Wessels nennt es eine realitätsbezogene Auffassung und spricht vom realen Gebrauchswert oder der Funktionstüchtigkeit von Gegenständen (vgl. 1969, 154–156). Beziehen wir das auf die Ausbauten auf dem Deck des Schiffs, so sind es Teilfunktionen, beispielsweise eine Drehbewegung oder die Berücksichtigung einer physikalischen Eigenschaft eines Werkstoffes.
Von den Kindern der zweiten Klasse haben nur drei Kinder funktional real gebaut. Es sind dies bewegliche Deckel von Behältnissen und zwei Anker, die tatsächlich die reale Eigenschaft des Sinkens aufweisen. Sie sind mit Draht oder Garn am Schiff festgebunden. Sabina hat real vorhandene Gegenstände (Kartonschachteln) mit ins Bauwerk einbezogen.
Die Schiffe der Kinder der ersten Klasse und diejenigen der jüngeren Kindergartenkinder weisen keine funktional real gebauten Elemente auf.
Laura hat eine Laderampe gebaut, die sich auf- und abbewegen lässt, diese Funktion demonstriert sie stolz beim Interview und benennt das Bauteil entsprechend prägnant als Laderampe. Die Beweglichkeit erreicht das Mädchen mit einem Stück Abdeckband. Laura (5 J., 9 M.) gehört zur Gruppe der älteren Kindergartenkinder.
Viele Bauelemente können ohne verbale Aussagen der Kinder nicht gedeutet werden. Sie weisen einen geringen Ikonizitätsgrad auf und werden in den weiteren Ausführungen als naturfern bezeichnet.
Das dreidimensionale Ding wirkt zufällig und doch bewusst gestaltet, scheint spontan und doch absichtlich an einem bestimmten Ort platziert zu sein, und die Oberfläche macht den Eindruck, als wäre sie unbearbeitet, und doch sind Spuren der Bearbeitung sichtbar. Dank dieser Beobachtungen des Gestaltungsprozesses wissen wir, dass die Kinder diese Elemente teilweise mit grosser Sorgfalt herstellen. Die verbalen Äusserungen der Kinder über die Bedeutung der Bauteile sind durchwegs klar und bestimmt: Es sind Gegenstände, die im Alltag und in ihrem Umfeld real vorkommen.
Zwei Drittel der Kinder der zweiten Klasse bewegen sich im Bereich der naturfernen Darstellung. Aus allen möglichen Bereichen des Wohnens sind Bauelemente dargestellt: Bett, Essenszubehör, Stuhl, Bank, Sofa, WC, Türe, Fenster, Treppe, Leiter, Spielzeug, Teppich, Vorhang, Tier, Tiergehege und noch diverse Einzelgegenstände mehr. Folgende technische Objekte, etwa ein Viertel, sind naturfern umgesetzt: Kamin, Reling, Anker, Steuerrad und Fernrohr.
In der ersten Klasse dominiert ebenfalls die naturferne Darstellungsform. Im Bereich des Wohnens gilt dies für fast drei Viertel aller Bauelemente. Gut die Hälfte aller technische Elemente ist naturfern dargestellt, es sind dies ein Wasserrad, Reling, Rettungsboot, Sicherheitseinrichtung, Schwimmflügel, Anker, Steuerrad, Ruder, Kontrolleinrichtung, Radio, Rakete und andere.
Bei den älteren Kindergartenkindern sind alle Wohnelemente und etwa die Hälfte der technischen Bauelementen naturfern dargestellt, beispielsweise Kamin, Reling, Antenne und Dach.
Die jüngeren Kindergartenkinder haben von den wenigen Ausbauten auf Deck alle Bauelemente ausschliesslich naturfern dargestellt.
Die imaginative Repräsentationsform weist keinen Ikonizitätsgrad auf. Die Bauteile oder Teilflächen des Oberdecks sind Träger von Imaginationen. Diese können von ganz unterschiedlicher Art sein. Beispielsweise werden Tätigkeiten aus dem realen Alltag (essen) oder die Funktion eines Gegenstandes (Automat) in ein Bauteil hineingedacht, oder es werden Räume, die nicht vorhanden sind, imaginiert. Ein Stück Styropor reicht aus, um der Fantasie freien Lauf zu lassen, oder umgekehrt: Fantasien materialisieren sich in einem Stück Materie.
Gelegentlich tritt das Phänomen der Doppelbedeutungen auf, beispielsweise wenn Nuria (6 J., 5 M.) Rundstäbe einmal als Kamin bezeichnet und ein andermal als Spielzeug. Äusserungen des Kindes: «ynegumpe» (hineinspringen), «hüpfe obendruff» (oben herumhüpfen), «Slalom gmacht» (Slalom gemacht). Die Ausbauten dieses Schiffs sind stark vom Gedanken des Spielens geprägt.
Auch Eigenschaften von Materialien können in der Vorstellung verändert werden: Andrin (6 J., 11 M.) schreibt einem auffällig transparenten Gewebe eine wasserabstossende und Pavithran (6 J., 11 M.) einem weichen Stoff stabilisierende Wirkung zu.
Etienne (6 J., 5 M.) gibt seinem ganzen Objekt ganz klar und bestimmt zwei Bedeutungen: «Ich habe ein Bett gemacht.» Interviewer: «Ein Bett?» Etienne: «Ein Schiff und auch ein Bett!»
Ähnliches kann bei Jens (5 J., 5 M.) beobachtet werden: Einmal ist sein Schiff ein Eisberg, ein andermal ein Schiff. Er beschreibt diese Doppelbedeutung weniger bestimmt als Etienne.
Ein Beispiel für einen Raum, der in der Imagination existiert: Neshaanth (6 J., 11 M.) setzt die Tür als grafisches Zeichen ein, sie steht gemäss seinen Schilderungen stellvertretend für einen Raum, der ausserhalb des Objekts liegt und in welchem ein Bett steht.
Bei den Kinder der zweiten Klasse ist diese Repräsentationsform nur bei einem kleinen Teil der Bauelemente vertreten: im Bereich des Wohnens etwa bei einem Zehntel, bei den technischen Elementen bei knapp einem Drittel. Imaginiert werden vor allem Bett und Nahrungsmittel, die technischen Vorstellungen lassen sich am besten durch wortwörtliche Zitate illustrieren: «Da isch Benzin drinne» (das enthält Benzin); «userouchne» (es raucht); «dass es vorwärts geit» (damit es vorwärts geht); «cha me schtüüre» (kann man steuern); «zur Beschwerung»; «das isch ds Glychgwicht» (das ist das Gleichgewicht).
Die Kinder der ersten Klasse imaginieren bei etwa einem Fünftel aller Bauteile. Es sind wieder vor allem Nahrungsmittel und das Schlafen, die sich die Kinder vorstellen. Wir zitieren die entsprechenden Aussagen für den technischen Bereich: «Gas gä» (Gas geben); «macht Wind»; «macht Sonnenstrahlen»; «zu fahren»; «damit kann man fahren»; «Turbo»; «dass es geradeaus geht»; «Gleichgewicht»; «stützen».
Die Bauteile der älteren Kindergartenkinder weisen im Wohnbereich keine imaginierten Tätigkeiten oder Gegenstände auf, jedoch sehr viele im Bereich der Technik. Es sind dies gut zwei Fünftel aller Bauteile. Die verbalen Umschreibungen lauten wie folgt: «cha me schtüüre» (kann man steuern); «macht, dass es steuert»; «steuert»; «dass das U-Boot richtig sehen kann»; «Draht: dass andere Schiffe sehen»; «dass U-Boote sehen wo düre» (... sehen wohin es geht); «Herz leuchtet, dass man gesehen wird»; «Verfolgungsantenne».
Die jüngeren Kindergartenkinder beschreiben keine Bauteile, die imaginative Anteile beinhalten, weder im Bereich Wohnen noch Technik.
Animismus bedeutet, dass Gefühle und Tätigkeiten von Menschen und Tieren auf unbelebte Materie übertragen werden. Gisela Lück umschreibt diese Art von Fantasietätigkeit als die Beseelung von unbelebten Objekten. Das Bedürfnis, die Phänomene der unbelebten Natur oder der Technik mittels affektiven Beschreibungen («Mein PC streikt») zu erklären, ist weit verbreitet. «Es scheint ein tiefes Bedürfnis des Menschen in allen Entwicklungsstufen zu sein, die Welt animistisch zu erklären und sich ihr nicht nur naturwissenschaftlich-objektiv zu nähern» (Lück 2006, 19). Der Begriff Animismus wird manchmal gleichbedeutend mit dem Ausdruck «magisches Vorstellungsvermögen» verwendet.
Auf dem Schiff von Jonas (6 J., 5 M.) sind die Wände so angeordnet, dass keine formschlüssige Verbindung entsteht. Das Kind löst das Problem, indem es mit Filzstift die dazwischen liegende Fläche schwarz bemalt und erklärt, dass die schwarze Fläche das Wasser fernhalte. Sein Kommentar: «Hier gibts ein Loch, und da kann Wasser noch gehen, und dann hab ich das zugemacht.» Der Interviewer zeigt auf die Stelle, die schwarz bemalt ist, und fragt: «Und da kann auch kein Wasser rein?» Die Antwort von Jonas: «Ja, da hab ich noch was ausgemalt.»
Die Funktion der Querstange des Mastes wird so beschrieben, dass auf ihr Vögel sitzen würden und dadurch das Ungleichgewicht des Schiffs je nach Position und Anzahl der Vögel ausgeglichen würde. Eine magische Vorstellung, die Natur und Technik verbindet.
Ingesamt kommen animistisch geprägte Bauteile nur dreimal vor, zweimal bei einem Schiff eines Erstklässlers und einmal bei einem älteren Kindergartenkind. Wir weisen darauf hin, dass die Grenze zwischen Imagination und Animismus schwer zu ziehen ist.
Die Kinder haben auf ihrem Schiff meistens zwei oder drei Repräsentationsformen gleichzeitig angewendet. Nur jüngere Kinder der Kindergartenklasse benützen ausschliesslich eine Ausdrucksform.
Das Schiff von Sabina (7 J., 4 M.) veranschaulicht das Nebeneinander von diversen Repräsentationsformen: Der Parkettboden ist äusserst realistisch aus dünnem Holz zugeschnitten und auf den Boden des Decks geklebt. Die Leimschachtel benützt sie als reales Behältnis, worin die Parkettvorräte aufbewahrt werden. Das Bett, die Reling, das Steuerrad, der Teppich sind naturfern dargestellt. Ein Holzstück mit Bohrspuren hat wahrscheinlich die Assoziation Schachbrett ausgelöst und wird an einem realen Nagel befestigt.
Die Komplexität der realen Dinge, vor allem auch von technischen Gegenständen wie beispielsweise eines Motors, bestimmt weitgehend die Umsetzung: Je komplexer, desto naturferner. Es ist ausgesprochen schwierig, detailreiche Gegenstände mit schwierigen Formen verkleinert mit einfachen Werkstoffen und Verfahren herzustellen. Einfache Gegenstände wie beispielsweise ein Segel oder ein Steuerrad begünstigen die visuell realistische Repräsentationsform.
Abschliessend stellen wir anhand einer Grafik die quantitative Verteilung der verschiedenen Repräsentationsformen, bezogen auf die Bereiche Wohnen und Technik, dar (Definition). Wir können eindeutig die Aussage machen, dass die naturferne Repräsentationsform am meisten genutzt wird, gefolgt von der imaginativen und der visuell realen. Kaum ins Gewicht fallen die real-funktionale und die imaginative Form.
Grafik Repräsentationsformen Wohnen | Bild durch Klick grösser betrachten
Grafik Repräsentationsformen Technik | Bild durch Klick grösser betrachten
Wann ist ein Schiff ein Schiff? Dreidimensionales funktionales Gestalten mit vier- bis achtjährigen Kindern.
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