Die ästhetische Erscheinung der Schiffe

Das ästhetische Handeln von Kindern manifestiert sich in der formalen und der farblichen Ausgestaltung der Schiffe. Das Bildmaterial zeigt durchwegs eigenständige Gestaltungen, da sie ohne Anleitung und Vorgaben entstanden sind. Wir untersuchen die Merkmale der Form- und Farbgebungen und auch der Oberflächengestaltung. Wir zeigen die Wechselwirkung zwischen Werkstoff, Bearbeitungsverfahren und den kognitiven und feinmotorischen Fähigkeiten der Kinder auf.

«Der wahre Sinn der Kunst liegt nicht darin, schöne Objekte zu schaffen. Es ist vielmehr eine Methode, neu zu verstehen, ein Weg, die Welt zu durchdringen und den eigenen Platz zu finden.»
Paul Auster

Einleitung: Ästhetische Praxis von Kindern

In der Alltagssprache wird der Ausdruck «ästhetisch» heute meistens als Synonym für schön, geschmackvoll oder ansprechend verwendet. Ein solcher Ästhetikbegriff ist wertorientiert und impliziert, dass es universelle Normen und zeitlose Kriterien gibt. Seit vielen Jahren wird dies von verschiedenen wissenschaftlichen Disziplinen in Frage gestellt. Es interessiert vielmehr, weshalb Menschen beispielsweise Gegenstände als hässlich oder schön wahrnehmen oder welche Bedeutung sie für das Individuum oder eine Gruppe haben. Diese Erkenntnisse werden in der Werbung und in der Gestaltung von Produkten bewusst genutzt und angewendet.

Die Schiffe sind zwar funktionale dreidimensionale Produkte. Die Kinder haben sie jedoch ohne Vorlage geschaffen und mussten keine Vorgaben erfüllen. Die Schiffe werden hinsichtlich ihrer ästhetischen Erscheinung nicht beurteilt oder an Kriterien gemessen, welche für handwerklich gefertigte Produkte gelten würden. Wir versuchen, möglichst objektiv zu beschreiben, welches ästhetische Verhalten in den Schiffsbauten zu sehen ist.

Aus Untersuchungen von Kinderzeichnungen weiss man schon sehr lange, dass Kinder bestimmte Schemata anwenden. Für das plastische Gestalten mit Ton hat Stefan Becker (2003) eine «Morphogenese des Formens und Modellierens» beschrieben. Für das dreidimensionale Gestalten mit anderen Werkstoffen als Ton wäre es wünschenswert, mehr über die Grammatik einer sinnlichen Sprache zu wissen. In den nachfolgenden Ausführungen versuchen wir, das ästhetische Verhalten der vier- bis achtjährigen Kinder zu erfassen. Die Beschreibungen stellen eine Annäherung an eine sinnliche Sprache dar.

Im Zusammenhang mit ästhetischer Bildung wird in der aktuellen Literatur darauf hingewiesen, dass gestalterische Prozesse mehr umfassen müssen als das sinnliche Wahrnehmen und das Produzieren von Dingen. Erst wenn das Moment des Staunens und der Irritation mitschwinge und der Gestaltungsprozess als genussvoll erlebt werde, könne von einer echten ästhetischen Erfahrung gesprochen werden. Neben den sinnlich-körperlichen Aktivitäten sind auch die emotionale und die soziale Ebene zu berücksichtigen (vgl. Duncker 2005, 19). Auch wenn ästhetische Erfahrungsprozesse individuell ablaufen, sind sie nicht losgelöst vom kulturellen Umfeld zu betrachten.

Wann ist ein Schiff ein Schiff? Dreidimensionales funktionales Gestalten mit vier- bis achtjährigen Kindern.

Ein Projekt der Pädagogischen Hochschule Bern, des Schweizerischen Werkbundes SWB und des Schulverlags.

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