Die aus den Forschungsergebnissen abgeleiteten Thesen (Teil 6) beschreiben einerseits in verdichteter Form, welche Qualitäten Gestaltungsprodukte von Kindern der Eingangsstufe aufweisen und wie Kinder Gestaltungsprozesse durchlaufen. Andererseits weisen sie auf das Potenzial hin, das im funktionalen dreidimensionalen Gestalten angelegt ist. Dieses Potenzial kann aber nur genutzt werden, wenn bestimmten Voraussetzungen erfüllt sind, nämlich:
Die vorangehend beschriebenen Rahmenbedingungen wurden im Forschungsprojekt berücksichtigt. Sie entsprechen dem moderat konstruktivistischen Lehr- und Lernverständnis. Im Zentrum des neuen Lernens steht der konstruktivistische Ansatz, der als eine Weiterentwicklung des genetischen Ansatzes (Wagenschein) betrachtet werden kann. Wissenserwerb wird als aktive Konstruktion auf der Grundlage vorhandener Vorstellungen/Erfahrungen gesehen, als Transformation bestehender Wissensstrukturen. Dies muss von den Lernenden selber vorgenommen werden und kann nicht vermittelt werden. Möller (2001, 106) umschreibt das konstruktivistische Lernverständnis wie folgt: «Grundschulkinder [werden] auf der Basis vorhandener Vorerfahrungen zu subjektiv stimmigen, selbst konstruierten, intersubjektiv überprüften und fachlich adäquateren Vorstellungen gelangen.» Das bedeutet, die subjektive Wahrnehmung und Erfahrung des Kindes ernst zu nehmen. Das Kind ist während des Lernprozesses aktiv, aber nicht nur um der Handlung willen, sondern um seine Vorstellungen zu einem bestimmten Sachverhalt zu klären, zu überprüfen, zu differenzieren und die neuen Erfahrungen im Gespräch mit anderen zu deuten und zu diskutieren. Das Lernen erfolgt:
Gestaltung der Lernumgebung: Die Werkstoffen und Materialien stehen in grossen Mengen zur Verfügung und werden möglichst ansprechend bereitgelegt. Die Lernumgebung wird so gestaltet, dass die Kinder sich frei im Raum bewegen können. Jedem Kind wird an einem Tisch je ein Arbeitsplatz zugewiesen und einige Werkzeuge stehen bereit. Je nach Raumsituation gibt es zusätzlich Arbeitsplätze, wo Hartschaumstoff (Styropor) getrennt oder Holz gesägt werden kann. Am Boden stehen, verteilt im ganzen Raum, verschiedene Kisten mit Werkstoffen. Zum Teil wird der Inhalt ausgeleert, damit die Auswahl einzelner Stücke einfacher zu bewerkstelligen ist. Auch sollten dadurch das Wühlen und das Suchen von passenden Elementen angeregt werden.
Die Rolle der Lehrperson: Während des Bauens der Schiffe unterstützt die Lehrkraft die Kinder vor allem bei der Handhabung der Werkzeuge, beantwortet Fragen der Kinder und hilft vereinzelt auch beim Lösen von konstruktiven Problemen. Beim Testen der Schwimmtüchtigkeit der Schiffe in der Wasserwanne leitet die Lehrperson die Versuchsanordnung und die Gruppengespräche.
Zeitliche und inhaltliche Struktur: Aus sicherheitstechnischen Gründen wird im ersten Feldaufenthalt das Sägen vorgezeigt und geübt. Ebenso machen sich die Kinder mit der Methode des Klebens mittels Heissleimpistole vertraut. Sie können aus Reststücken freie Formen zusammensetzen. Am Schluss der Unterrichtssequenz legen wir die Experimente ins Wasser. Beim zweiten Feldaufenthalt erzählen wir die Bilderbuchgeschichte mit dem Titel: «Das geht doch nicht» von Brigitte Schär (2002, München: dtv). Anschliessend zeigen wir den Kindern die vielen Werkmaterialien und stellen die Aufgabe: «Bau ein Schiff, mit dem du deine Familie auf eine Reise mitnimmst.»
Am Schluss der Unterrichtseinheit legen die Kinder ihre Schiffskonstruktionen in die Wasserwanne und beobachten das Schwimmverhalten der Objekte. Gruppenweise finden Erörterungen über Fehlerquellen und deren Behebung statt.
In der dritten Unterrichtseinheit können die Kinder an ihren Schiffen weiterbauen. Nun wird vor allem das Deck ausgebaut. Am Schluss wiederum werden die Schiffe im Wasser getestet, Fehler analysiert und wenn möglich korrigiert.
Sicherheit: Im Kindergarten bedienen die Kinder die Heissleimpistole unter Aufsicht der Kindergärtnerin. Sobald ein Kind sich sicher fühlt, darf es den Heissleim selber benutzen. Es wird empfohlen, für den Kindergarten und die Schule Heissleimklebepistolen mit 40 Watt Leistung zu benützen (Verbrennungsgefahr viel geringer).
Wann ist ein Schiff ein Schiff? Dreidimensionales funktionales Gestalten mit vier- bis achtjährigen Kindern.
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